Das Internet, das böse, böse Internet rückt immer weiter in den Fokus der Politik. Einer netz- und scheinbar auch realitäts-fremden Politik. Denn nachdem man Kinderpornografie mit Stopschildern bekämpfen, und somit gleichzeitig eine Infrastruktur zur Zensur ALLER unliebsamen Inhalte aufbauen wollte, kommt nun der nächste Streich von den Menschen, die das Internet weder in seiner Kultur, noch seiner Funktionsweise verstanden haben. Die Rede ist vom Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV), der bereits seit 2003 existent ist, aber bisher nicht in gänze gelebt wurde.
Das Thema ist sehr lang. Um es kurz zu machen: Ab dem 01.01.2011 besteht für alle Internetseiten in der BRD die Pflicht darauf hinzuweisen, ab welchem Alter der Inhalt der Seite geeignet ist. Hier will der Staat eine Angleichung an Videospiele und Filme, die schon seit längerem eine FSK-, bzw. USK-Einteilung haben. Bei Inhalten mit Eignung erst ab 16 oder gar 18 Jahren verlang der JMStV darüber hinaus auch eine Zugangserschwerung. Entweder über Sendezeiten (!!!) oder eine Altersverifikation, wie man sie vielleicht von Erotikangeboten im Internet kennt.
Die Einstufung der Inhalte kann man entweder über eine Prüfstelle tätigen lassen, was aber mit ca. 4000 Euro pro Jahr zu Buche schlägt, oder selber machen. Entweder für jede einzelne Seite der Homepage, oder global für die gesamte Netzpräsenz. Bei falscher Einschätzung (was nach Überprüfung wohl in 80% der Fälle vorkommt(¹)), droht ein unangenehm hohes Bußgeld.
Soweit alles im Schnelldurchlauf. Nachdem bereits gestern die ersten Blogs und Webseitenbetreiber angekündigt haben, dass sie unter diesen Voraussetzungen nicht weiter bestehen können, und somit zum 01.01.2011 schließen müssen, wurde das Thema auch in der Netzwelt weitergehend behandelt. Wer nun gesteigertes Interesse hat, kann auf Heise, Golem, Yucatree und weniger technisch auf Spiegel über das Thema nachlesen. Wer selber eine Webseite, einen Blog oder sonst etwas öffentliches betreibt, findet 17 Fragen und Antworten zum JMStV bei T3N.
Interessanter Umstand: Kleine Webseiten müssen oben genannte Restriktionen erfüllen. Doch bei Anbietern von Nachrichten „von allgemeinem Interesse“ entfällt diese Selbsteinschätzung wie Zugriffserschwerung. Entsprechend darf sich Bild.de demnächst weiterhin „FSK 0“ betiteln und gleichzeitig dennoch Titten auf der Startseite dem minderjährigen Leser entgegenstrecken…. (¹)
Damit man auch weiterhin ohne Abmahnungen und Geldstrafen seine freie, vielleicht nicht Teletubby-taugliche Meinung im Internet publizieren kann, bietet sich wohl nur eine Option, wie sie der Schockwellenreiter nennt:
Umzug der eigenen Internetseite auf einen ausländischen Server, am besten in einem Land, was nicht mal eine Impressumspflicht besitzt. Anschließend veröffentlicht man seine Inhalte nur noch anonym, damit die lieben Anwälte nicht wissen, an wen sie ihre Abmahnung schicken sollen!
Armes Deutschland, so schön wie du beschneidet sich kein Land in seiner Kultur, Demokratie und Meinungs- wie Pressefreiheit!